Gepflegte Langeweile auf akademisch

Diese “Mannheimer Rede“ im NTM war gar keine Rede, auch wenn Medien sie immer noch so nennen. Tatsächlich fand am Sonntag um 11:00 Uhr mit den diesjährigen Preisträgern des Friedenspreises des deutschen Buchhandels, Aleida und Jan Assmann ein Paar-Interview statt. Er Ägyptologe, sie Kulturwissenschaftlerin. Das Publikum war schon zu Beginn ernüchtert. Wer ihre Preisrede in der Frankfurter Paulskirche gehört oder gelesen hatte, hatte ohnehin kein intellektuelles und rhetorisches Feuerwerk erwartet.

Dennoch hätte man etwas aus dem angebrochenen Vormittag machen können. Hätte nur der dröge Moderator vom Börsenverein etwas erkenntnisinteressierter gefragt, um herauszufinden, was seine Gesprächspartner denken, wenn die Diskussion spannend wird. Immerhin hatte ja die Werbung versprochen, man könne hier lernen, wie man etwas aus der Geschichte lernen kann.

So hat z.B. Jan Assmann vor Jahren sehr dazu beigetragen, die Erkenntnis zu verbreiten, dass erst mit dem Aufkommen der monotheistischen Religionen die Ideen der Rechtgläubigkeit, des Auserwähltseins und die religiöse Intoleranz so richtig in die Welt kamen.*)  Als es zuvor landauf landab noch viele Götter gab, die obendrein noch deftige menschliche Züge hatten, war Religion meist sehr viel weniger anstrengend. Daraus hätte man tolle Fragen im Hinblick auf zeitgenössischen religiösen Fanatismus, Glaube und Vernunft und die Risiken der Gleichbehandlung des Ungleichen entwickeln können.

Auch mit seiner Frau Aleida hätte der Moderator einen kurzweiligen Besuch an der Grenze der politischen Korrektheit machen können. An die Expertin für das kulturelle Gedächtnis von Völkern und Kulturräumen sowie für die politische Lenkung von Erinnerungspolitik **) drängen sich die interessanten Fragen geradezu auf: Was macht es mit den Völkern Europas, wenn in einige Ländern mehr und mehr Siedler eingeladen werden, deren kulturelles Gedächtnis ganz anderen Kulturkreisen verhaftet ist? Was bewirkt gutgemeinte Erinnerungspolitik, wenn die Abstammungsgemeinschaft der Deutschen in den Städten nur noch als größte Minderheit leben wird, und die vielgestaltigen Überlieferungen der Siedler aus Afrika und Asien stammen?

Stattdessen – jeder kann Auszüge im MM nachlesen – über weite Strecken gepflegte Langeweile nach langatmigen Ausführungen über Karl Jaspers, den Historikerstreit und das Gespenst des Populismus. Als hätte er befürchtet, dass nun vielleicht das Publikum die unkorrekten Fragen stellen würde, hat der Moderator es lieber nicht darauf ankommen lassen. Nach der ersten Frage war Schluss.

Leider muss man inzwischen davon ausgehen, dass die vom “Medienpartner“ MM hochgejubelte Serie ähnlich weitergehen wird. Den Veranstaltern fehlt einfach der Mut zu etwas, das die alte Bundesrepublik noch kannte: weltanschaulicher Pluralismus.

Eberhard Will

*https://www.amazon.de/Totale-Religion-Urspr%C3%BCnge-puritanischer-Versch%C3%A4rfung/dp/3711720455/ref=asap_bc?ie=UTF8 

**https://www.amazon.de/lange-Schatten-Vergangenheit-Erinnerungskultur-Geschichtspolitik/dp/3406666507/ref=tmm_pap_swatch_0?_encoding=UTF8&qid=&sr=