Gedenken und Nachdenken

Im vollbesetzen Bürgersaal in N1 fand am 27.Jan., dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, die jährliche Gedenkveranstaltung der Stadtpolitik statt. Stil und Inhalt waren würdevoll und dem tragischen Thema angemessen. Neben den üblichen Mandatsträgern und Behörden- und Kirchenvertretern waren offensichtlich viele Mitschüler und Angehörige der Mitwirkenden anwesend aber auch – aus dem Alter zu schließen – Nachkommen von Opfern, vielleicht sogar von wenigen Tätern. Der Bericht des MM ist unten verlinkt und muss hier nicht wiederholt werden.

Aufgefallen sind uns jedoch drei Dinge, die nicht den Weg in die Medien fanden:

Wo doch so gerne Lehren für die Gegenwart gezogen werden – wieso entschied sich die Programmkommission für das den Blick eher nach rückwärts lenkende Thema Widerstand? Gerade in diesem Jahr hätten sehr kurze gedankliche Wege von den Verfolgten des Naziregimes zum aktuellen Konflikt zwischen Willkommenskultur und dem Antisemitismus  vieler der willkommen Geheißenen geführt. Oder zur Nicht-Unterstützung verfolgter Christen in weiten Teilen der muslimischen Welt. Vielleicht auch zur ausgeprägten Schwulenfeindlichkeit unter Zuwanderern in Deutschland.

Als der Moderator nach jedem Auftritt der Schülergruppen die Namen der mitwirkenden Schülerinnen und Schüler verlas, ging schon beim zweiten Mal ein Raunen durch die Menge. Manchem Besucher ging anscheinend erstmalig durch den Kopf, was es wohl bedeutet, wenn die offensichtlich einheimischen Namen nur noch 40% oder weniger ausmachen. Optimisten freuten sich wahrscheinlich über die gelingende Integration in die deutsche Erinnerungskultur. Pessimisten mögen sich gefragt haben, warum wohl an der Performance der Theater-AG der Wilhelm-Wundt-Realschule keine männlichen Schüler beteiligt waren.

Fester Bestandteil des offiziellen Mannheimer Geschichtsbildes ist die Schaffung einer posthumen Volksfront, wenn es um den – wie überall in Deutschland überschaubaren – Widerstand gegen das NS-Regime geht. Den zeitgenössischen Sozialdemokraten war noch klar gewesen, dass die Kommunisten verwirklichen wollten, was Lenin und Stalin ihnen in der Sowjetunion vormachten. Ihnen war nicht entgangen, dass dort nicht nur Adel, Großbürgertum und Kulaken zu Hunderttausenden starben, sondern auch Sozialdemokraten auf der Liste der Volksfeinde weit oben standen. Und wir Nachgeborenen wissen, dass diejenigen Kommunisten, die nach dem Krieg die Gelegenheit zu totalitärer Herrschaft hatten, sie weidlich nutzten. Sie wollten schon immer nur die Diktatur der Nazis durch ihre eigene ersetzen.

Manchmal geht es beim Gedenken eben etwas zu routiniert zu, und es fehlt am Nachdenken.

Jugendliche leisten Erinnerungsarbeit