Mannheim ist das Lachen abhanden gekommen
Es gibt Entwicklungen, die verlaufen so schleichend, dass man sie nicht bemerkt, gerade weil man sie ständig vor Augen hat. Irgendwann fällt einem dann auf, dass etwas fehlt oder etwas zu viel ist. Uns jedenfalls fehlt etwas. In Mannheim ist die Fröhlichkeit abhandengekommen und mit ihr das Lachen. Jedenfalls auf Straßen und Plätzen und in Lokalen.
Gelegentlich hören wir noch ein hysterisches Lachen nach einer Peinlichkeit oder ein dröhnendes nach einer Zote. Aber wir vermissen die fröhlichen Gesichter nach einem Einkauf, bei einem Eis oder über einem Kinderwagen. Stattdessen allenthalben Ernst und Trübsinn. Grüppchen auf den Weihnachtsmärkten: ernst. Flaneure auf den Planken: ernst. Kollegen in der Mittagspause: ernst. Familien beim Einkaufen: ernst. Besucher in der Opernpause: ernst. Schüler nach Schulschluss: ernst. Das ist keine kollektive Winterdepression. Im Sommer war es nicht anders, lediglich die Outfits waren etwas luftiger.
Dabei ist doch dauernd vom bunten Mannheim die Rede, das weltoffen und kontaktfreudig die Völker der Welt willkommen heißt. Die Völker Nordafrikas, die Völker des Kaukasus und viele mehr. Aber paradoxerweise scheint die Willkommenskultur eher auf die Stimmung zu schlagen. Menschen sehen, wer ihnen auf den Planken entgegenkommt, und schauen verdrossen, sie mustern den Nachbartisch im Café und sind not amused, sie überqueren den Paradeplatz und schauen schmallippig. Manche Frauen nehmen frühmorgens wieder das Auto statt der Straßenbahn, andere lassen sich abends an der Endhaltestelle abholen. Wir vermissen kichernde Mädchenscharen, die durch die Stadt alberten, Eis aßen und ins Kino gingen. Wo sind sie geblieben? Sitzen sie jetzt am Computer? Wo sind die Damen jedes Alters, die es sich erlauben können, halbe Tage mit Einkaufsbummel zu verbringen? Shoppen sie jetzt im Internet?
Irgendwie sind die Leute undankbar – obwohl sie doch “Menschen geschenkt bekommen“ haben. Dabei gibt es immer auch gute Nachrichten. Mannheim wird jetzt noch weltstädtischer. Im Quadrat Q7 könnte jetzt der neue Hotspot für Vollverschleierte und ihre Familien entstehen.
Prosit Neujahr! Auf ein gutes!