Demnächst soll es losgehen mit der Verschönerung der Planken. Neuer, pflegebedürftiger Straßenbelag, bequeme erhöhte Bahnsteige, stromsparende Leuchten, high-tech Baumringe, Designermöbel und praktische Blumenkübel sollen Konsumfreude schaffen, Kaufkraft anziehen und den Stolz der Bürgerinnen und Stadtmütter auf unsere Stadt steigern. 10 Mio. stehen bereit für den ersten Bauabschnitt ohne Seitenstraßen. Irgendwann 2018 ist der fertiggestellt. Da bietet sich für einen Vorher-Nachher-Vergleich eine Bestandsaufnahme an. Eberhard Will hat damit ganz unbeabsichtigt begonnen.
Sonntag, 27. September 2015. Nachmittagsspaziergang auf den Planken, von N1 zum Wasserturm und zurück. Das haben wir schon lange nicht mehr gemacht, und aktuelle Beobachtungen und etwas verblasste Erinnerungen kontrastieren stark. Hat sich das Straßenbild wirklich binnen Monaten so stark verändert? Oder begünstigt der gegenwärtige Zuwandererstrom eine selektive Wahrnehmung?
Der sonnige Paradeplatz ist gut bevölkert und jedenfalls fest in ausländischer Hand. Schwer zu sagen, ob anatolische Gesichter dominieren oder arabische. Auch der Balkan, Osteuropa und der Kaukasus sind vertreten. Irrtum vorbehalten. Nur wenige junge Paare, teils mit Kinderwagen. Männer aller Altersgruppen haben die Mehrheit. Mannheim ist bunt.
Die Planken dagegen sind erstaunlich leer, auch die Eisdielen. Das Gros der Passanten stellen junge Männer in Gruppen zu vieren oder fünfen. Oft laufen sie in Reihe, die Arme auf den Schultern des Nachbarn. So gut wie alle stammen offensichtlich aus Ländern, in denen laut und kehlig gesprochen wird.
Nur wenige dem Anschein nach eingeborene deutsche Paare sind als Flaneure unterwegs. Was auch immer ihre Körpersprache ausdrücken mag, jedenfalls nicht, uns gehört die Straße. Besonders fröhlich schaut keiner – aber das ist wohl eher normal.
Die Auslagen der Schaufenster anzuschauen, um die Einkäufe der nächsten Woche vorzubereiten, scheint im Zeitalter der Internetkataloge aus der Mode gekommen. Engelhorn hat darauf reagiert und zur Feier des 125. gar nicht erst Waren dekoriert, sondern silbernen Plastikmüll.
Auffällig ist das nahezu gänzliche Fehlen von Frauen auf der Flaniermeile. Nur ganz selten mal eine einzelne Frau, die nach Schuhen oder Mode schaut. Wo sind die alle? Vielleicht dort wo auch die komplett abwesenden weiblichen Teens sind? Wir glauben uns zu erinnern, dass diese vor noch nicht allzu langer Zeit sonntags nachmittags in lebhaft kichernden kleinen und größeren Gruppen über die Planken zogen, Eis aßen und ins Kino gingen.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Zunahme der Zahl der jungen Männer und dem Rückgang der Zahl der jungen Frauen? Normalerweise sollten die sich doch gegenseitig anziehen?
Wir trinken einen Latte Macchiato, studieren die anderen Gäste und fühlen uns unter ihnen wie im Urlaub. Dabei sprechen wir über die Entwicklung, die die Breite Straße zwischen K1 und Marktplatz in den letzten zwanzig Jahren genommen hat, und über die geplanten Millioneninvestitionen zum Redesign der Fußgängerzone. Wie werden die Käuferströme aussehen bis die optische Modernisierung abgeschlossen sein wird? Und wo werden sie dann einkaufen?
Wir beschließen, unsere privaten Studien zur Soziologie des Planken-Publikums an Werktagen fortzusetzen. Mannheim ist bunt.
EW