Der Preis mit dem kleinen schmutzigen Geheimnis

Es ist üblich, dass Städte regelmäßig selbsterfundene Preise an verdienstvolle Zeitgenossen verleihen, meist für irgendetwas mit Kultur. Damit schmücken sich die Verleiher, indem sie eine würdige Veranstaltung organisieren und ein gewisses Medienecho erreichen. In Mannheim ist einer dieser Preise der alle zwei Jahre verliehene und mit € 10.000 dotierte Bertha-und-Carl-Benz-Preis. Carl hat seinen Patentwagen erfunden, konstruiert und gebaut. Bertha ist damit zusammen mit ihren Teenager-Söhnen im August 1888 von Mannheim nach Pforzheim und wieder zurück gefahren. Außerdem hatte sie das notwendige Kapital mit in die Ehe gebracht. Das Paar hielt sich an das zeitlose Motto: Hinter jedem erfolgreichen Mann steckt eine ehrgeizige Frau.

Wie im Zeitalter der linksgrünen Hegemonie zu erwarten, belohnt der Mannheimer Preis nicht technischen Fortschritt, wegweisende Erfindungen und pfiffige Patente, sondern Beiträge zu umweltgerechter, sozialer und einfacher Mobilität. Wie das gemeint ist, sieht man daran, dass die Stadt auch Verleihstationen für Lastenfahrräder subventioniert. Damit soll schon mal das einfache Leben nach Abschluss der politisch ersehnten Decarbonisierung und Entindustrialisierung Deutschlands geübt werden.

Folgerichtig wurde der Preis 2017 an World Bycicle Relief verliehen. Die von einem amerikanischen Unternehmer gegründete Wohltätigkeitsorganisation vergibt stabil gefertigte Fahrräder mit verlängertem Gepäckträger in ländlichen Gegenden Afrikas, Südamerikas und Asiens an Schüler, Krankenschwestern und Kleinstunternehmer (natürlich m u. w). Nach der Erfüllung einer Art Zielvereinbarung gehen die Räder ins Eigentum der Beschenkten über.

Wie es sich gehört, waren zum Festakt im Rittersaal des Schlosses viele der Geladenen mit dem Fahrrad gekommen. Vor dem Eingang war es ziemlich blau von den Mieträdern des RNV.

Aber das kleine schmutzige Geheimnis der diesjährigen Preisverleihung war, dass über den Ehrengästen mit hohem Gutmenschenanteil ein ganz feiner Hauch von Rassismus schwebte, gespeist aus dem Subtext der diversen Festansprachen und Dankesreden. Zum Verschenken geeignete Fahrräder aus afrikanischer Produktion habe man ausprobiert, sie seien aber nicht haltbar genug gewesen. Subtext? Die Stahlrahmen kommen jetzt aus China. Subtext? Die Buffalo-Räder haben eine Rücktrittbremse, aber keine Vorderradbremse und kein Licht. (Was nicht dran ist, kann auch nicht kaputtgehen.) Subtext? Die Wartung und Reparatur der mehr als 330.000 ausgelieferten Fahrräder erfolgt durch vom World Bycicle Relief ausgebildete Mechaniker. (Die anspruchsvollsten Teile sind die Rücktrittnabe und das Tretlager.) Subtext? Nicht wenige der Festgäste werden an die Millionen Fahrräder in China gedacht haben, die nach der Entfesselung der Wirtschaft innerhalb von dreißig Jahren durch Millionen chinesischer Autos abgelöst wurden. Man hörte sie unter der “Bürde des weißen Mannes“ (bitte googeln) förmlich ächzen.

Zweifellos ist das Langfristprojekt dennoch sehr verdienstvoll. es verhilft Menschen dazu, Lern- und Verdienstchancen wahrnehmen zu können, die sie als Fußgänger und Lastträger nicht hätten. Wer wirksam helfen will, muss sich halt auf die realen Verhältnisse und die realen Menschen vor Ort in den benachteiligten Regionen einlassen und Abstand nehmen von Wunschdenken.