Grün – Rote Gesinnungsethik jetzt auf Wiedervorlage
“Im November letzten Jahres war ich zu Besuch in unserer britischen Partnerstadt. Durham im Norden Englands. Eine Labour-Hochburg seit ewigen Zeiten. Alle meine Gesprächspartner verband die feste Überzeugung, dass Großbritannien keine Flüchtlinge vom Festland übernehmen werde. Während wir in Deutschland Turnhallen in Notunterkünfte umwandelten, konnte mir im Norden Englands niemand sagen, wo eigentlich Flüchtlinge untergebracht seien, so wenige waren es. Dasselbe Bild diesen Sommer bei meinem französischen Kollegen im Elsass. Flüchtlinge? Haben wir keine. Und in der amerikanischen Partnerstadt staunten alle miteinander über die Erkenntnis, dass der Landkreis Tübingen so viele Kriegsflüchtlinge aufgenommen hat wie die Vereinigten Staaten.“
Dies sind Beobachtungen von Boris Palmer, dem grünen Tübinger Oberbürgermeister in einem Gastartikel in der FAZ vom 24.11.. Selbstkritisch, klug und streitbar wie gewohnt, geht er dort der Frage nach, warum das linksgrüne Milljöh in Deutschland von der Flüchtlingsproblematik eine so völlig eigene Wahrnehmung hat, grundverschieden vom verachteten Rest Europas und den Dunkeldeutschen. Lesenswert.
Seine Parteifreunde in Mannheim – und mit ihnen die SPD – sehen ihre Mission offensichtlich jedoch völlig anders. Beide Gemeinderatsfraktionen hatten zur Sitzung am 22.11. nahezu gleichlautende Anträge eingebracht, offensichtlich mit dem Ziel, Mannheim zur Moralhauptstadt Europas zu qualifizieren. Die Stadt solle ihre Bereitschaft erklären, 550 Flüchtlinge, die gegenwärtig in Italien oder Griechenland gestrandet sind, im Rahmen des sog. “Relocation-Programmes“ der EU überplanmäßig aufzunehmen. Für die Grünen argumentierte Stadtrat Fontagnier mit den (unbestreitbaren) persönlichen Notlagen und der Tatsache, dass es aktuell in Mannheim freie Aufnahmekapazitäten und unterbeschäftigte Sozialarbeiter gebe. Der klassische Vortrag über private Gesinnungsethik zu Lasten Dritter, nämlich der heutigen Steuerzahler und der nächsten Generation.
Die SPD, die anscheinend nach der Antragstellung und vor der Sitzung nochmal über ihre letzten Wahlergebnisse nachgedacht hatte, überließ es dem OB, für sie die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Ganz staatsmännisch erinnerte er an die anstehenden Verhandlungen mit dem Land über die Neuordnung der Erstaufnahme. Dort gehe es darum, die schon jetzt vorhandenen außerordentlichen Belastungen der Stadt deutlich zu machen, und nicht kontraproduktive Botschaften auszusenden (Mannheim sei ganz erpicht auf möglichst viele zusätzliche Flüchtlinge). Die SPD sah dies ein und verzichtete erleichtert auf eine Abstimmung über ihren Antrag. Nur mit den Stimmen der Linken hätte der Antrag der Grünen jetzt auf keinen Fall eine Mehrheit gefunden, so dass diese schlau wie die Füchslein einen Antrag auf Vertagung bis nach den Verhandlungen mit dem Land stellten.
Den haben wir gerne unterstützt, denn wir sind schon jetzt gespannt, wie sich die SPD verhalten wird, wenn das Verhandlungspositionen-Argument durch Zeitablauf überholt sein wird. Taktisch argumentieren geht dann nicht mehr. Dann wird man wohl oder übel darüber diskutieren müssen, wessen Interessen die verschiedenen Fraktionen im Gemeinderat vertreten. Die ihrer traditionellen Wählerinnen und Wähler oder die von Millionen von Flüchtlingen, der Schlepper und der Migrationsindustrie.
Der Palmer-Artikel in der FAZ endet übrigens wie folgt:
“ Nur wenn das linksliberale städtische Bürgertum seine moralische Selbsterhöhung überwindet und Toleranz für Andersdenkende auch praktiziert, wenn es weh tut, gibt es eine Chance den Extremismus auszugrenzen und den Populismus einzuhegen. Wir müssen uns für die Integration unserer Gesellschaft nach innen mindestens so sehr anstrengen wie für Flüchtlinge.“
Ganz der Papa.